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Warum Deutschland bei der Digitalisierung hinten liegt Manager zurück auf die Schulbank!

Ja, das Thema Digitalisierung ist inzwischen auch hierzulande in den Köpfen von Managern und Mitarbeitern angekommen. Trotzdem liegt die Industrienation Deutschland beim digitalen Wandel im internationalen Vergleich weit zurück. An mangelnder Erkenntnis liegt es nicht.

Die enormen Auswirkungen der digitalen Transformation auf Wirtschaft und Gesellschaft und die massive mediale Aufmerksamkeit haben dafür gesorgt, dass das Thema heute auch bei uns in allen Köpfen ist. Dieser Schritt wäre also schon einmal geschafft. Die entscheidende Frage wird aber sein, ob die Köpfe dieses Thema überhaupt aufnehmen und verarbeiten können. Können wir aus dem Bewusstsein, dass sich die Welt um uns herum gerade dramatisch verändert, auch die Umsetzung in Handlungen vornehmen? Können wir die elektronischen Geschäftsmodelle und -prozesse wirklich anpacken und umsetzen und damit die alten gewohnten Geschäftsroutinen verlassen? Zahlreiche Studien beantworten diese Frage im Moment klar mit: Nein.

Köpfe statt Knöpfe

Tobias Kollmann

Tobias Kollmann ist Professor für BWL und Wirtschaftsinformatik an der Universität Duisburg-Essen. Seine Schwerpunkte sind Digital Business und Digital Entrepreneurship.

Nur ein knappes Drittel der Mitarbeiter in den Unternehmen hat, laut einer Studie im Auftrag der Personalberatung Rochus Mummert, einen guten oder sehr guten Überblick in "digitalen Dingen". Auch im Topmanagement sowie in der zweiten und dritten Führungsebene ist der Anteil mit 47 Prozent nach wie vor zu gering. Gerade einmal eine Schulnote von 3,8 (ausreichend) geben sich die Deutschen laut einer Bitkom-Umfrage im Schnitt für ihre eigene Digitalkompetenz - und selbst bei der jüngeren Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren fällt die Zensur mit 3,2 (befriedigend) nur geringfügig besser aus. Vor diesem Hintergrund verwundern auch die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung nicht, die zeigen, dass rund 80 Prozent aller Arbeitnehmer grundsätzlich Angst vor der Digitalisierung haben und die Auswirkungen auf den eigenen Arbeitsplatz nicht einschätzen können.

Die geringen digitalen Kenntnisse von Mitarbeitern entwickeln sich zum Problem für die deutsche Wirtschaft. Das ist wohl einer der Gründe, warum Deutschland in dem von der Schweizer Wirtschaftshochschule IMD erstmals erstellten Ranking zur digitalen Wettbewerbsstärke lediglich auf Rang 17 zu finden ist - und das als Europas größte Volkswirtschaft! Das ist ferner ein Grund, warum es an der Bereitschaft zu einem echten digitalen Wandel immer noch mangelt. Digitalisierung ist leider nicht einfach nur ein "technischer Knopf" in einem EDV- oder IT-System, der einfach gedrückt werden kann. Benötigt wird ein "evolutionärer Kopf", der das digitale Wissen rund um die neuen elektronischen Geschäftsmodelle und -prozesse hat. Und diese digitalen Köpfe sind Mangelware.

Digitalisierung light statt Revolution 4.0

Was bleibt, ist eine digitale Unsicherheit bei den handelnden Akteuren. Und Unsicherheit führt zu einem Online-Herdentrieb statt Digital Leadership, zu Imitation statt Innovation, zu Industrie 4.0 statt Revolution 4.0. Und so wird weiterhin zaghaft nach ersten digitalen Projekten gesucht, welche die generellen Routinen eines Unternehmens zwar beschleunigen, aber nicht elementar umkrempeln. Eine "Digitalisierung light" mit bestenfalls inkrementellen Verbesserungen statt disruptiven Veränderungen steht auf dem Managementplan. Doch wo Erfahrungswissen nicht mehr funktioniert, die Geschwindigkeit der Digitalisierung einem keine Zeit lässt und man eher eine Erkundung statt einer Erhaltung braucht, da scheitert es an einem einfachen Aspekt: Wissen, wie es geht!

Niemand hat uns auf die digitale Revolution vorbereitet. Weder die Schulen oder Hochschulen, noch die berufliche Weiterbildung. Wir wissen einfach nicht, was es bedeutet, einen elektronischen Mehrwert im Netz aufzubauen, für den der Kunde bereit wäre etwas zu bezahlen. Wie wissen nicht, wie man digitale Plattformen im Netz aufbaut, die als ökonomisches Modell unter der Prämisse einer kritischen Masse und einer bipolaren Teilnehmerstruktur funktioniert. Das degradiert uns in der Breite zu digitalen Analphabeten und gefährdet die Zukunft der deutschen Wirtschaft.

Weiterbildung statt Angst

Daraus darf sich aber keine allgemeine Angst vor der Digitalisierung aufbauen! Diese Gefahr liegt nahe und könnte politisch wie gesellschaftlich aufgegriffen werden. "Die Angst vor der Überfremdung durch Flüchtlinge und der Entfremdung durch Technik hängt ganz eng zusammen. Ein gleitender Übergang vom einem zu anderen ist möglich", sagte der Philosoph und Publizist Richard David Precht unlängst in einem Interview mit dem "Kölner Stadtanzeiger". Das darf nicht passieren!

Die Antwort kann nur im Wissen und der zugehörigen digitalen Kompetenz liegen und deswegen ist persönliche Weiterbildung in den Bereichen Digitalisierung, E-Business und E-Entrepreneurship wichtiger denn je. Da die Ausbildungssysteme aber nicht genug "digitale Köpfe" produzieren, kommen wir nicht darum herum, alle vorhandenen Mitarbeiter und Manager aus allen Führungsetagen wieder auf die "digitale Schulbank" zu schicken. Und zwar nicht als Strafaktion, sondern als Chance. Angebote gibt es genug, man muss nur wollen. Damit werden wir zwar nicht alle Arbeitnehmer zu digitalen Nerds machen, aber ein Grundverständnis für die anstehenden digitalen Veränderungen schaffen, die von der breiten Arbeitnehmerschaft zu tragen sein werden. Eine Tatsache, auf die auch Betriebsräte und Gewerkschaften schon sehr bald als Thema stoßen werden. Digitalisierung findet im Unternehmen statt und ist eine Kopfsache!

Also, worauf warten wir: Besiegen wir den inneren digitalen Schweinehund!

Prof. Dr. Tobias Kollmann ist Vorsitzender des Beirats Junge Digitale Wirtschaft (BJDW) im Bundeswirtschaftsministerium. Kollmann ist Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.